Leben mit CGM
Wodurch wird eine Überzuckerung in der Nacht und vor dem Frühstück verursacht?
In diesem Artikel erfahren Sie, welche Ursachen es für eine nächtliche bzw. Überzuckerung vor dem Frühstück geben kann und was Sie dagegen tun können.
Leben mit CGM
In diesem Artikel erfahren Sie, welche Ursachen es für eine nächtliche bzw. Überzuckerung vor dem Frühstück geben kann und was Sie dagegen tun können.
Es gibt Situationen, in denen die Gründe für erhöhte Glukosewerte am Morgen oder für signifikante Anstiege während der Nacht offensichtlich sind. Dennoch treten gelegentlich Fälle auf, in denen die Ursachen für diese Schwankungen unklar bleiben. Dieser Artikel soll Ihnen dabei helfen, mögliche Erklärungen für Ihre erhöhten Glukosewerte zu finden, damit Sie diese besser verstehen und leichter vermeiden können.
Starten Sie mit der Analyse der nächtlichen Werte am besten am Anfang der Nacht, also vor dem Schlafen gehen. Liegen Ihre Werte vor dem Zubettgehen noch im Zielbereich oder beginnen Sie die Nacht bereits mit erhöhten Werten? Vor dem Schlafengehen im Zielbereich zu sein, d.h. unter 10 mmol/L, ist ein erster wichtiger Schritt zu guten Glukosewerten in der Nacht.1
Wenn Ihre Glukosewerte grundsätzlich alle zu hoch liegen, also auch schon tagsüber, besprechen Sie mit Ihrem medizinischen Fachpersonal, ob Ihre Therapie unter den gegebenen Umständen noch geeignet ist. Lesen Sie auch den Artikel "Wodurch wird Überzuckerung am Tag verursacht?".
Beginnen Sie die Nacht bereits mit erhöhten Glukosewerten? Vielleicht haben Sie sich spät abends noch einen kleinen Snack gegönnt, aber nicht genug Insulin gespritzt, die Kohlenhydratmenge im Abendessen unterschätzt oder abends einen falschen Kohlenhydratfaktor verwendet. Auch ein sehr spätes reichhaltiges Abendessen, dessen Folgen noch Stunden später den Blutzucker erhöhen, kann die Ursache sein.
In diesem Fall hilft es, zwischen der letzten grossen Mahlzeit und dem Zubettgehen 3 bis 4 Stunden Abstand zu halten.
💡 Für einen optimalen Nüchternglukosewert ist ein guter Ausgangswert unter 10 mmol/L vor dem Zubettgehen entscheidend.
Sehr häufig lässt sich ein erhöhter Glukosewert in der Nacht darauf zurückführen, dass nicht genügend Basalinsulin vorhanden ist, um den Blutzuckerwert stabil zu halten. Mit einem CGM-System können Sie das gut überprüfen, gerade wenn Ihre Glukosewerte fast jede Nacht ansteigen, und andere, bereits genannte mögliche Faktoren wie spätes Abendessen und Snacks nicht in Frage kommen.2
Normalerweise geben die Leber und die Nieren zwischen den Mahlzeiten und in der Nacht kontinuierlich etwas Glukose in das Blut ab, um den Blutzuckerwert auf einem bestimmten Niveau zu halten und damit die grundlegenden Körperfunktionen aufrechtzuerhalten.
Je nach Körpergewicht werden pro Stunde etwa 8–12 g Glukose ins Blut ausgeschüttet.6 Bei einer Insulinresistenz (die bei Typ-2-Diabetes häufig vorliegt) kann diese Menge bedeutend höher sein. Damit diese Glukose in die Zellen gelangt, ist Insulin notwendig.
Für eine kontinuierliche Versorgung der Zellen mit Glukose ist eine gewisse Grundmenge Insulin (Basalinsulin) erforderlich. Natürlich kann sich der Insulinbedarf im Laufe der Zeit sowohl vorübergehend als auch dauerhaft ändern. Zu einer vorübergehenden Änderung kommt es z.B. bei einer Infektion, Fieber, Allergien oder während einer Kortisontherapie.
Eine Veränderung des Bedarfs kann sich aber auch langsam über Monate und Jahre hinweg vollziehen, z.B. bei Gewichtszunahme oder -verlust, mit dem älter werden oder im Zuge einer Umstellung des Hormonhaushalts, wie etwa in den Wechseljahren.
💡Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre Basalinsulinversorgung nachts zu niedrig ist, besprechen Sie mit Ihrem medizinisches Fachpersonal, ob es notwendig ist, Ihre Therapie anzupassen.
Bei Diabetes Typ-2 bzw. Übergewicht (insbesondere bei Bauchfett) liegt häufig eine Insulinresistenz vor. Eine Insulinresistenz bedeutet, dass Zellen und Organe nicht mehr normal auf Insulin ansprechen.
Bei einer Insulinresistenz gibt die Leber mehr Glukose in das Blut ab, welche sich daraufhin dort ansammelt, da die Zellen nicht mehr auf das Insulin reagieren und die Glukose daher nicht mehr in die Zellen befördert wird. Dies hat zur Folge, dass der Glukosewert in der Nacht und am Morgen erhöht ist, selbst wenn man nachts nichts isst. Bei manchen Menschen gelangt die Glukose dann trotz hoher Dosen an Basalinsulin nicht in den gewünschten Zielbereich, was sehr frustrierend sein kann.
💡Wenn ein hoher Glukosewert auf Insulinresistenz zurückzuführen ist, kann das Problem nicht ausschliesslich durch Insulintherapie gelöst werden, da Körperzellen nicht mehr effektiv auf Insulin reagieren. Insulinresistenz kann durch verschiedene Ansätze beeinflusst werden:
Versuchen Sie, so viel körperliche Aktivität wie möglich in Ihren Alltag zu integrieren. Ein 20-minütiger Spaziergang nach dem Abendessen kann Ihren Nüchternglukosewert schon signifikant verbessern. Durch Bewegung werden die Körperzellen sensibler für die Insulinwirkung, die Glukose kann leichter in die Zellen gelangen und es wird weniger Insulin benötigt. Weitere Informationen finden Sie im Artikel "Wie wirkt sich körperliche Aktivität auf den Körper und die Glukosewerte aus?“.
Ein wesentlicher Faktor, der für die Insulinresistenz verantwortlich ist, ist das Bauchfett. Mit jedem Kilo, das man schafft, zu reduzieren, werden die Zellen und Leber wieder sensibler und die Nüchternglukosewerte besser. Wenn Sie Informationen zu Diabetesmedikamenten benötigen, die Sie beim Abnehmen unterstützen können, hilft Ihnen Ihr medizinisches Fachpersonal bestimmt gerne weiter. Weitere Informationen zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung finden Sie im Artikel „Was ist die richtige Ernährung bei Diabetes mellitus?“.
Eine Haferkur ist eine ziemlich radikale Möglichkeit, die normale Reaktion des Körpers auf Insulin wiederherzustellen. Dabei ersetzen Sie 2 bis 3 Tage lang alle drei Mahlzeiten durch 60–80g Haferflocken, die jeweils mit einem halben Liter Wasser oder fettarmer Brühe gekocht werden. Für etwas geschmackliche Abwechslung können Sie noch bis zu 50g Obst oder reichlich Gemüse hinzugeben; Fett ist aber tabu. Ziel hierbei ist es, die Kalorienaufnahme drastisch zu reduzieren, um das in der Leber und Bauchspeicheldrüse eingelagerte Fett zu verbrennen. Nachdem die Fettreserven geschmolzen sind, reagiert die Leber oft wieder besser auf Insulin und gibt nicht mehr unkontrolliert Glukose in das Blut ab.
Dieser positive Effekt einer Haferkur kann mehrere Wochen lang anhalten wonach für eine Wiederholung des Effekts erneut eine Haferkur eingelegt werden können.3 Sogar eine Anpassung der Medikamente oder der Insulinmenge kann notwendig werden, daher sollte ein solche Massnahme auch auf jeden Fall mit dem Arzt/Ärztin abgestimmt sein.
Kohlenhydrate sind nicht der einzige Nährstoff, der den Glukosewert ansteigen lässt. Wussten Sie, dass auch sehr fett- und proteinreiche Mahlzeiten zeitverzögert zu gewissen Glukoseanstiegen führen können? Wenn Sie abends im Sommer auf eine Grillparty gehen und mehr Fleisch als gewöhnlich essen oder sich vor dem Fernseher eine grössere Portion Nüsse genehmigen, kann es sein, dass sich dies in nächtlichen Glukoseanstiegen bemerkbar macht.
Je nach konsumierter Fett- bzw. Proteinmenge beginnt der Blutzucker nach etwa 3 bis 8 Stunden anzusteigen.1 Einerseits werden bestimmte Eiweissbausteine (Aminosäuren), die sich auf den Blutzucker auswirken, selbst in Glukose umgewandelt aber es gibt auch Aminosäuren, die zu einer vermehrten Glukagonfreisetzung führen, was wiederum dazu führt, dass die Leber mehr Glukose ausschüttet.
💡 Wenn Sie bei sich einen Zusammenhang zwischen Mahlzeiten mit hohem Fett- und Proteingehalt und einem nächtlichem Anstieg der CGM-Werte sehen, besprechen Sie mit Ihrem medizinischen Fachpersonal, ob es für Sie vielleicht sinnvoll sein könnte, die sogenannten Fett-Protein-Einheiten zu berücksichtigen. Wenn Ihre Therapie insulinpumpengestützt ist, kann ein Dual- oder Multiwave-Bolus dazu verwendet werden, den durch die Fett-Protein-Einheiten verursachten, verzögerten Blutzuckeranstieg zu kompensieren. Wenn Sie sich Insulin spritzen, ist es unter Umständen notwendig, die Insulinmenge für die Fett-Protein-Einheiten auf zwei Injektionen aufzuteilen. Weitere Informationen finden Sie im Artikel Wirken sich Protein und Fett auf Ihren Glukosewert aus?
Eine fett- und proteinhaltige Mahlzeit (z.B. Fisch zum Abendessen) kann den Blutzuckerwert nach dem Essen bis zu 6 Stunden lang ansteigen lassen.
Manchmal schlafen wir schlecht oder nicht genug, weil uns bestimmte Dinge belasten und wir bis in die Nacht darüber nachdenken. Wussten Sie, dass zu wenig oder schlechter Schlaf zu erhöhten Nüchternglukosewerten führen kann? Die empfohlene Schlafdauer beträgt 7 bis 9 Stunden pro Nacht.3 Schlafen Sie erheblich weniger oder sehr schlecht, kann Ihr Insulinbedarf und Appetit zunehmen.
💡Weitere Informationen zu Diabetes-bezogenen Schlafstörungen und Tipps für einen gesunden Schlaf finden Sie im Artikel „Guter Schlaf bei Diabetes“.
Vom sogenannten Dawn-Phänomen spricht man, wenn die Glukosewerte bis in die frühen Morgenstunden im Zielbereich liegen, dann aber zwischen 3 und 6 Uhr morgens plötzlich ansteigen. Ohne CGM würden Sie diese Veränderung nur erkennen, indem Sie nachts um 3 Uhr Ihren Blutzucker messen. Dank dem CGM-Sensor kann das Dawn-Phänomen aber viel leichter erkannt werden.
Der Anstieg des Glukosewerts in den frühen Morgenstunden wird durch eine erhöhte Ausschüttung von Wachstumshormonen, Kortisol und Glukagon verursacht, die als Gegenspieler des Insulins dessen Wirkung reduzieren. Zu einem gewissen Anstieg des Hormonspiegels und dem damit verbundenen gesteigerten Insulinbedarf am frühen Morgen kommt es bei jedem Menschen, doch bei einigen ist dieses Phänomen stärker ausgeprägt.
💡Dem Dawn Phänomen kann man mit herkömmlichen Basalinsulinen oft nicht gut entgegenwirken. Möglicherweise lässt sich das Problem lösen, indem Sie zu einem anderen Basalinsulin wechseln, kleine Dosen kurzwirksamen Analoginsulins in den frühen Morgenstunden (z.B. um 4:00 Uhr) verabreichen, sofern sie um diese Zeit aufwachen oder eine Insulinpumpe verwenden, die das Insulin auf den Körperbedarf abgestimmt abgibt. Besprechen Sie mit Ihrem medizinischen Fachpersonal, welche Option für Sie am besten geeignet ist.
Beim sogenannten Aufstehphänomen steigt der Glukosewert sofort nach dem Aufstehen an. Wie auch beim Dawn-Phänomen sind Hormone die Ursache für diesen rapiden Anstieg. Nach dem Aufstehen schüttet der Körper vermehrt verschiedene Hormone aus, die dazu dienen, nach dem Wechsel von der horizontalen Schlafposition in eine vertikale Position den Blutdruck zu stabilisieren. Diese Hormone senken die Empfindlichkeit für Insulin.
💡Der CGM-Sensor hilft Ihnen, solch einen deutlichen Anstieg direkt nach dem Aufstehen zu erkennen. Besprechen Sie mit Ihrem medizinischen Fachpersonal, ob sich die Gabe einer kleinen Menge kurzwirksamen Insulins vor dem Aufstehen bei Ihnen empfiehlt, um dieser Art von Glukoseanstieg entgegenzuwirken.
Eine nächtliche Unterzuckerung kann ebenfalls Ursache für einen hohen Nüchternglukosewert sein. Bei einer Unterzuckerung kommt es zur Ausschüttung von Adrenalin, was wiederum dazu führt, dass die Leber Glukose ausschüttet und der Blutzuckerwert zeitlich verzögert ansteigt. Manchmal trinkt man während einer Unterzuckerung auch einfach zu viel Saft oder isst zu viel Glukose oder Süsses.
💡Zunächst sollte unbedingt die Ursache für die nächtliche Unterzuckerung herausgefunden werden. Erhöhte Zuckerwerte sollten dann lieber nicht zu energisch mit Insulin korrigiert werden. Die Leber holt sich nämlich ihren ausgeschütteten Zucker zeitverzögert zurück und so könnte in Folge schnell der nächste Unterzucker entstehen.
Viele Menschen mit Diabetes haben bestimmte Stellen, die sie aus Gewohnheit für die Insulininjektion bevorzugen und nur selten wechseln. Dadurch, dass immer wieder im gleichen Hautbereich injiziert wird und möglicherweise auch noch die Nadel wiederverwendet wird, kann sich das Gewebe verändern. Dasselbe gilt für die Verwendung von Insulinpumpen, wenn das Infusionsset immer an derselben Stelle angebracht wird. Solche Gewohnheiten können zu einer spürbaren Verhärtung und in einigen Fällen sichtbaren Verdickung, einer sogenannten Lipohypertrophie, führen. Wenn Sie Insulin im Bereich einer solchen Lipohypertrophie injizieren, kann die Insulinkonzentration im Blut im Vergleich zur Injektion in gesundes Gewebe um ein Drittel niedriger sein. Glukosewerte nach den Mahlzeiten fallen dann wesentlich höher aus.5
💡Tasten Sie Ihre Injektionsstellen auf gummiartige Schwellungen und nicht sichtbare Verhärtungen ab. Bis das Gewebe wieder den normalen Zustand angenommen hat, können Monate bis Jahre vergehen. Vermeiden Sie betroffene Stellen so lange. Wenn Sie zu einer anderen Injektionsstelle wechseln, muss Ihre Insulindosis möglicherweise reduziert werden. Besprechen Sie dies mit Ihrem medizinischen Fachpersonal.
Die Entstehung weiterer Lipohypertrophien lässt sich am besten vermeiden, indem Sie:
Für eine von Nacht zu Nacht einheitliche Insulinwirkung sollten milchige Insuline gut gemischt und zur Nacht in den Oberschenkel gespritzt werden. Langwirksame Insulinanaloga müssen nicht gemischt werden und können direkt in den Bauch oder Oberschenkel injiziert werden.
Ein genauer Blick auf Ihre Glukoseverläufe und Gewohnheiten lohnt sich also um den Ursachen von erhöhten Glukosewerten in der Nacht und am Morgen auf die Schliche zu kommen. Und besonders ein CGM ist hier eine grosse Unterstützung, um zu wissen was genau passiert, während wir schlafen.
Injektion in eine Lipohypertrophie im Bauchbereich.
[1] American Diabetes Association Professional Practice Committee; 6. Glycemic Goals and Hypoglycemia: Standards of Care in Diabetes—2024. Diabetes Care 1 January 2024; 47 (Supplement_1): S111–S125. https://doi.org/10.2337/dc24-S006
[2] Thomas, Andreas et al. (2019). CGM interpretieren: Grundlagen, Technologie, Charakteristik und Konsequenzen des kontinuierlichen Glukosemonitorings (CGM) (2. Aufl.). Mainz
[3] Delgado G, Kleber ME, Krämer BK, Morcos M, Humpert PM, Wiegand K, Mauldin A, Kusterer K, Enghöfer M, März W, Segiet T, Lammert A. Dietary Intervention with Oatmeal in Patients with uncontrolled Type 2 Diabetes Mellitus - A Crossover Study. Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2019 Oct;127(9):623-629. doi: 10.1055/a-0677-6068. Epub 2018 Aug 29. PMID: 30157531.
[4] Watson NF, Badr MS, Belenky G, Bliwise DL, Buxton OM, Buysse D, Dinges DF, Gangwisch J, Grandner MA, Kushida C, Malhotra RK, Martin JL, Patel SR, Quan SF, Tasali E. Recommended Amount of Sleep for a Healthy Adult: A Joint Consensus Statement of the American Academy of Sleep Medicine and Sleep Research Society. Sleep. 2015 Jun 1;38(6):843-4. doi: 10.5665/sleep.4716. PMID: 26039963; PMCID: PMC4434546.
[5] Famulla S, Hövelmann U, Fischer A, Coester HV, Hermanski L, Kaltheuner M, Kaltheuner L, Heinemann L, Heise T, Hirsch L. Insulin Injection Into Lipohypertrophic Tissue: Blunted and More Variable Insulin Absorption and Action and Impaired Postprandial Glucose Control. Diabetes Care. 2016 Sep;39(9):1486-92. doi: 10.2337/dc16-0610. Epub 2016 Jul 13. PMID: 27411698.
[6] Malcolm Watford (2023), Encyclopedia of Human Nutrition : Glycogen breakdown and gluconeogenesis provide glucose to the body (Fourth Edition)
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